Der Trend der Tokenisierung und die Verbreitung digitaler Vermögenswerte bringen für den Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden einige Herausforderungen mit sich. In Europa werden die Problembereiche aktiv angegangen und Regelwerke, welche die technologische Weiterentwicklung ermöglichen sollen, geschaffen. Der folgende Blog stellt eine kurze Übersicht dar, welche rechtlichen Themenbereiche ein besonderes Augenmerk erfordern. In weiteren Blogs werden wir spezifisch auf die Situation in der EU, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein eingehen.
Rechtliche Themenbereiche rund um digitale Vermögenswerte
Die Klassifikation digitaler Vermögenswerte aus regulatorischer Sicht weicht je nach Land voneinander ab. Auch innerhalb eines Landes ist die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Arten von Vermögenswerten teilweise durchaus schwierig.
Im Bereich KYC & AML sind die regulatorischen Anforderungen klar, gewisse Herausforderungen bringt jedoch die technische Umsetzung in öffentlichen Blockchain-Netzwerken. Auf den Primärmarkt, also bei der Erstemission digitaler Vermögenswerte, können die existierenden Regelwerke vergleichsweise gut angewendet werden.
Der Sekundärmarkt sowie die Aufbewahrung stellen die beiden Tätigkeitsfelder dar, welche die grösste Herausforderung aus regulatorischer Sicht mit sich bringen. Bestehende Regelwerke eignen sich nicht zur Regulierung dieser Tätigkeiten. Die Blockchain ermöglicht völlig neue Vorgehensweisen, um den Handel sowie den Nachhandel zu organisieren. Heute wird der Sekundärmarkt inklusive dessen Abwicklung von regulierten, zentralen Instituten dominiert. Der Sekundärmarkt für digitale Vermögenswerte stellt jedoch auf dezentrale Elemente ab, Intermediäre werden nicht mehr genutzt und Anleger können direkt miteinander in Kontakt treten. Das stellt den Regulator vor grosse Herausforderungen. Dasselbe gilt im Bereich der Aufbewahrung: Die Aufbewahrung und Buchführung über den Besitz eines physischen Wertpapiers ist eine vollständig andere Tätigkeit als die Aufbewahrung eines Private Keys, das Zugang zu digitalen Vermögenswerten ermöglicht.
Der regulatorische Bereich der Eigenmittelerfordernisse befindet sich auf internationaler Ebene in Entwurfsphase – es sieht aber heute danach aus, als wenn ein äusserst risikoaverser Ansatz verfolgt wird. Und zuletzt zeigt der Bereich der regulatorischen Überwachung, dass die Blockchain-Technologie eine grosse Chance bietet. Die Überwachung muss nicht mehr wie bis anhin stichprobenweise und manuell erfolgen, sondern gewisse Elemente können standardmässig in die Infrastruktur eingebaut werden. Dies ermöglicht eine effizientere und vollständigere Überwachung als bis anhin auch nur im Ansatz denkbar gewesen wäre.
Die grossen Fragezeichen bei der Regulierung digitaler Vermögenswerte
Es bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung der neuen Gesetzgebungen erfolgt und ob damit effektiv innovative Geschäftsmodelle ermöglicht werden. Gleichzeitig bleiben einige Bereiche, welche nach wie vor zu vielen Fragezeichen führen.
Grosse Fragestellungen bringen dezentrale Strukturen und die Abwesenheit von zu regulierenden Akteuren. Dezentral unterhaltene Smart Contracts und DEXs sind nur zwei Beispiele. Dezentrale Organisationsstrukturen sind mitunter die grösste Innovation im Bereich der Blockchain. Eine Regulierung dieser aber stellt den Gesetzgeber vor ganz neue Herausforderungen. Es ist nicht mehr möglich, die klassische Vorgehensweise der Regulierung zentraler Akteure zu wählen. Es braucht neue Denkweisen, damit die wertvolle Innovation neuer dezentraler Strukturen ermöglicht wird, während gleichzeitig die durch Regulierung angestrebten Ziele wie Investorenschutz oder Systemstabilität erhalten bleiben. Es wäre einfach zu schlussfolgern, dass aus diesen regulatorischen Herausforderungen private Blockchains den öffentlichen Blockchains vorgezogen werden müssen. Vielmehr besteht die grosse Innovation darin, den maximalen Nutzen der Technologie auszuschöpfen und gleichzeitig durch ein Neudenken der Systeme und Prozesse auch in regulatorischen Belangen eine Verbesserung zur heutigen Situation zu erreichen.
Quellen
Kurt, L. & Kurt, D. (2022). Digitale Assets & Tokenisierung. Wiesbaden: Springer Gabler